Zum Tode Zahir Shahs

Vater der afghanischen Nation

Von Jochen Buchsteiner und Wolfgang Günter Lerch


 


 
Afghanistans letzter König: Zahir Shah

23. Juli 2007 
Die ausländischen Regierungen, mit denen er zu Beginn seiner Amtszeit zu tun hatte, wurden noch von Politikern wie Neville Chamberlain, Josef Stalin oder Adolf Hitler geführt. Mit Geschick (und vermutlich auch besonders guter Beratung) gelang es Zahir Shah, dem letzten König Afghanistans, sein Land während des Zweiten Weltkrieges den Begehrlichkeiten der großen Mächte zu entziehen und es in eine neutrale Position zu führen. Aber nicht nur in den sechs Kriegsjahren, auch in den Jahrzehnten danach hielt er sein Volk aus gewaltsamen Auseinandersetzungen heraus.
 

 

In einem Land, das in den vergangenen dreißig Jahren nicht mehr viel anderes als Blutvergießen gesehen hat, ist das ein Verdienst, das ihm bis zuletzt hoch angerechnet wurde. Wie glücklich wären die allermeisten Afghanen, gleichgültig welcher der zahlreichen Ethnien und Stämme sie zugehören, wenn sie heutzutage das vergleichsweise ruhige, ja geruhsame Leben jener Tage wieder führen könnten - bevor die Furien des Krieges und Bürgerkrieges über das Land hereinbrachen.

 

Symbol der deutsch-afghanischen Freundschaft

 

Shah mit Präsident Karsai bei dessen Amtseinführung

Zahir Shah, Jahrgang 1914, der 1933 im Alter von 19 Jahren den Thron bestiegen hatte, regierte genau vier Dekaden. Zwar kannte auch das „goldene Zeitalter“ Afghanistans Stammesfehden und teilweise sogar Anarchie, aber im Rückblick gilt es als Phase der Stabilität und der (westlichen) Modernisierung. Nicht zuletzt das Bild der Hauptstadt Kabul verwandelte sich in jenen Jahren drastisch.

 

Wie schon seinen Vorgängern, so lag auch Zahir Schah das traditionell freundschaftliche Verhältnis zu Deutschland besonders am Herzen. Immer wieder kamen unter seiner Regenstschaft Studenten aus seinem Land in die Bundesrepublik, um an deutschen Hochschulen zu studieren. Nicht wenige von ihnen hatten ihre deutschen Sprachkenntnisse an der Amani-Schule in der Hauptstadt Kabul erworben, die im vorigen Jahrhundert so etwas wie das sichtbare Symbol der deutsch-afghanischen Freundschaft gewesen war. Diese Freundschaft hatte seit den Tagen des Ersten Weltkrieges, insbesondere aber seit der Zeit der Weimarer Republik bestanden, als der damalige König Amanullah der Metropole Berlin einen Aufsehen erregenden Besuch abstattete.

 

Keine triumphale Rückkehr vergönnt

 

Der König im Jahr seiner unfreiwilligen Abdankung 1973

Nachdem ihn sein Schwager Mohamed Daud aus dem Amt geputscht hatte, dankte König Zahir Shah ab und blieb in Rom, von wo aus er den langsamen Abstieg seines Landes und schließlich das bittere Hineinschlittern in den Bürgerkrieg mitansehen musste. Weder während Dauds Regentschaft, noch in der sowjetischen Besatzungszeit oder in den Jahren der Mudschahedin-Bürgerkriege fühlte er sich in Afghanistan willkommen. Das änderte sich erst im Herbst 2001, als die Taliban mit Hilfe der amerikanisch-geführten Truppen aus Kabul verjagt wurden. Man hoffte damals, ein in die Heimat zurückgekehrter Monarch könne das zerrissene und kriegszerstörte Land unter seiner altersmilden Autorität wieder zusammenführen und einigen.

 

Eine triumphale Rückkehr war dem früheren Monarchen dennoch nicht vergönnt. Zwar spielte Zahir Shah, der immer einen gewissen politischen Einfluss in seiner Heimat behielt, eine nicht zu unterschätzende Rolle in jenem Prozess, der schließlich auf dem Königswinterer Petersberg das Land neu ordnete. Aber eine offizielle Rolle im befreiten Afghanistan fiel ihm nicht mehr zu. Im April 2002 bezog der „Vater der Nation“ nach mehr als dreißig Jahren im Exil den alten Palast in Kabul, aber nicht als Staatsoberhaupt, sondern als einfacher „Bürger“.

 

Seither war von ihm wenig zu vernehmen, was auch mit seiner sich beständig verschlechternden Gesundheit zusammenhing. In den vergangenen Jahren unterzog er sich mehrfach ärztlichen Behandlungen. Am Montag gab die Regierung von Hamid Karsai bekannt, dass Zahir Shah im Alter von 92 Jahren verstorben ist.

Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung
Bildmaterial: AP, dpa