DOK Leipzig 2008 – Sonderprogramm „Afghanistan – Innenansichten“
Filme aus Afghanistan – Bilder aus einem unbekannten Land
Mit dem Sonderprogramm „Afghanistan – Innenansichten" präsentiert das Internationale Leipziger Festival
für Dokumentar- und Animationsfilm erstmals die Arbeiten afghanischer FilmemacherInnen. DOK Leipzig
setzt damit neue Impulse im interkulturellen Dialog und unterstreicht seine Reputation als Ort der
Begegnungen. Die mehr als ein Dutzend Filme des Sonderprogramms belegen eindrücklich eine
künstlerische Lebendigkeit und aktuelle Trends aus einem Land, das bisher international weitgehend ohne
eine eigene Filmszene wahrgenommen wurde. DOK Leipzig reagiert mit diesem Angebot auch auf einen
gewachsenen Informationsbedarf der Öffentlichkeit. Denn obwohl Afghanistan längst unsere täglichen
Schlagzeilen prägt, wissen wir wenig über das Land und seine Menschen.
Mehr als nur Krieg und Armut
Im Mittelpunkt der 15 Filme des Sonderprogramms stehen weniger Stereotypen als der Blick afghanischer
FilmemacherInnen auf ihr eigenes Land. Dabei sind erstaunlich viele junge Regisseurinnen mit ihren Arbeiten
vertreten. Mit Alka Sadats „Half Value Life“ ist auch ein Film im Internationalen Nachwuchswettbewerb
Dokumentarfilm Generation DOK präsent. Die meisten Geschichten spiegeln sowohl Alltag und Normalität
als auch gesellschaftliche Missstände, die den Autoren auf den Nägeln brennen. Dies sind insbesondere
Formen von Entrechtung wie Zwangsheirat und Inhaftierung von Frauen, Kinderarbeit und Patriarchat.
DOK Leipzig als Ort der Begegnung
Mehrere der afghanischen Filmemacher werden als Gäste auf dem Festival vertreten sein. Für das Publikum
ist dies eine besondere Gelegenheit zu spannenden Gesprächen. Ziel ist es darüber hinaus, die weitgehend
unvernetzten afghanischen Filmemacher mit Produzenten, Redakteuren und interessierten Verleihern in
Kontakt zu bringen. Eine DOK Summit-Podiumsdiskussion zum Thema „Produzieren im Ausnahmezustand –
Filmemachen in Afghanistan“ soll informieren und füreinander sensibilisieren. DOK Leipzig bietet so das Forum
für einen Dialog, den die Sicherheitslage in Afghanistan ansonsten unmöglich macht.
Ergänzend zum Filmprogramm lädt die Fotoausstellung „Unfinished Business – Afghanistan aus dem Blick
des Anderen“ zu neuen Einblicken in die Thematik. Mehr als 60 Bilder, die vor allem von afghanischen Fotografen
stammen, vermitteln ein ungefiltertes Bild afghanischer Wirklichkeit.
Kuratiert wird das Sonderprogramm von Martin Gerner, Initiator und Leiter des Afghanistan-Filmfestivals
Köln 2005, der das Land seit Anfang 2004 regelmäßig bereist.
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie uns bei der Bekanntmachung unseres Festivals unterstützen.
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an das Pressebüro:
Katrin Haucke // presse@dok-leipzig.de // Tel.: +49 341 308 64 16
Schatten des Krieges
Den Auftakt macht „Passageway“,
eine aufwühlende Chronik über ein
Kapitel im afghanischen Bürgerkrieg, dessen Schrecken nahtlos in die
darauf folgende Machtergreifung der Taliban übergeht. Regisseur Abdul
Hussain-Danesh zeigt in Leipzig erstmals die unzensierte Fassung
seines Films. Kriegswirren und -traumata kommen auch in „My Kabul“
zum Ausdruck, einer Taxifahrt durch die ebenso zerstörte wie im
Wiederaufbau befindliche Hauptstadt. Ein lebendiges Stimmungsbild,
bestehend aus Geschichten der Fahrgäste, das nichts von seiner
Aktualität eingebüßt hat. „Shelter“ ist der erste afghanische
Zeichentrickfilm von internationalem Niveau nach mehr als zwei
Jahrzehnten Krieg. In ihm zeigt sich sowohl das Ausmaß der geschundenen Psyche einer Bevölkerung, als
auch das lebensbejahende Prinzip Hoffnung. Den schmerzhaften Bruch mit der Vergangenheit legt „Dream
of Light“ am Beispiel der zerrütteten Stromversorgung von Kabul offen. Der stoische Umgang seiner
Protagonisten mit dem Phänomen „Mangel“ lässt ungekannte menschliche Tugenden hervorscheinen.
Dieser wie weitere Filme in der Auswahl fühlen sich ausdrücklich dem cinéma vérité verpflichtet.
Frauenschicksale
Ein weiteres Thema im Sonderprogramm sind Frauenschicksale: „Half Value Life“, das Portrait einer
mutigen Staatsanwältin der jungen Regisseurin Alka Sadat, scheint unsere Vorstellungen von einer
frauenfeindlichen und von unumstößlichen Traditionen geprägten Gesellschaft zu bestätigen. Auch „Moral
Crimes“, Karim Amins Einblick in ein Frauengefängnis von Mazar-i-
Sharif, vermittelt eine Ahnung davon, wie schwer es Recht und neue
Verfassung gegen althergebrachte Grundsätze haben. Die Insassinnen
dieses Gefängnisses sind Frauen und ihre Kinder, die sich arrangierten
Ehen widersetzt haben.
Gleichwohl verläuft die gesellschaftliche Entwicklung in Afghanistan nicht
notwendigerweise statisch oder rückwärtsgewandt, wie sich an „Mesh“
ablesen lässt. Regisseurin Aarzoo Burhani setzt sich darin mit der Burka
auseinander, dem Kleidungsstück mit dem Ausländer Afghanistan
gemeinhin assoziieren. Natürlich haben auch afghanische Frauen
Sehnsüchte und Wünsche: In „A Girl from Kabul“ macht eine Reporterin die schmerzhafte Erfahrung, dass
sich Unabhängigkeit im Beruf und privates Glück gesellschaftlich nicht
vereinbaren lassen. Die Arbeitsbedingungen für JournalistInnen haben
sich zuletzt sogar erheblich verschärft. „Zakia Did Stand up“ geht dem
Mord an einer im vergangenen Jahr getöteten Gründerin eines
unabhängigen Radiosenders nach, die über mehrere Jahre eine neu
gewonnene Pressefreiheit symbolisierte. Das Thema Exil scheint vor
diesem Hintergrund fast folgerichtig. „Behold Alone Woman at the
Beginning of a Cold Season“ zeigt das Selbstportrait einer Autorin, die
– in Europa angekommen - mit ihrer inneren Zerrissenheit und der
neuen Wahlheimat kämpft.
Normalität und Alltag
Schließlich werfen die afghanischen FilmemacherInnen einen undramatischen Blick auf ihren eigenen Alltag:
„Sahar, the Young Carpet Maker“ konterkariert dabei das oft stereotyp verarbeitete Thema der Kinderarbeit.
„A Day in the Life of Rahela“ ist eine von mehreren Arbeiten in der Filmreihe, die durch präzise und
wenig aufgeregte Beobachtungsgabe große Dichte und Authentizität erzielt. Ausgelassenheit und die Mühen
des Alltags stehen hier gleichberechtigt nebeneinander. „Bulbul – The City Bird“ erzählt die Geschichte einer
Gruppe von Straßenkindern, die sich als Autowäscher betätigt. Das Kabul der Neureichen und der prekäre
Alltag prallen hier aufeinander. „Buddha, the Girl and Water“ führt
den Betrachter an jenen Ort, an dem die Taliban die historischen Buddha-
Statuen zerstört haben und die Menschen andere Probleme haben als deren
Wiederaufbau. In „The Last Shout“ schließlich, einem weiteren Animationsfilm,
verlieben sich zwei Streichhölzer ineinander. Sprache und
Kulisse tragen Zeichen der globalisierten Wirklichkeit. Was auf westliche
Zuschauer völlig harmlos wirkt – ein Kuss auf der Leinwand – stellt nach
afghanischen Maßstäben eine Provokation dar.
Das aktuelle Programm können Sie auf der Webseite von DOK Leipzig www.dok-leipzig.de abrufen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr DOK Team
-- Roland Löbner Assistent Öffentlichkeitsarbeit DOK Leipzig 51st International Leipzig Festival for Documentary and Animated Film, 27 October - 2 November 2008 Leipziger Dok-Filmwochen GmbH Grosse Fleischergasse 11 04109 Leipzig Germany Tel.: +49 (0)341 30864-25 Fax: +49 (0)341 30864-15 liebold@dok-leipzig.de www.dok-leipzig.de Erfüllungsort, Gerichtsstand/Place of Performance: Leipzig Handelsregister/Commercial Register: Amtsgericht Leipzig - HRB 35 89 Steuernummer/Tax Number: 231/124/00257