06.12.2016

Ratbil Shamel- Ahang

Der ermordeten Freiburger Studentin zum Gedenken

Heute Morgen fragte ich zum wiederholten Male unseren Sohn, was er sich zu Weihnachten wünscht und erneut sagte er, er wisse es noch nicht. In diesem Moment, wo ich mit meinem Sohn über das vielleicht größte Fest des Jahres sprach, kam mir ein Gedanke. Ich dachte daran, dass die Eltern der ermordeten Studentin aus Freiburg nie wieder ein Familienfest mit ihrer Tochter planen können. Sie werden ihre Tochter nie wieder umarmen können, nie wieder lachen hören. Ein junges Leben wurde erlöscht. Ende aller Hoffnungen und Träume.

Der Täter ist den Medienberichten zufolge ein 17jähriger. Ein 17jähriger Flüchtling aus Afghanistan. Selbstverständlich sollte es nicht wichtig sein, welche Nationalität ein Verbrecher hat. Es gibt ja keine Sippenhaft. Doch die Realität unserer Welt sieht anders aus. In politisch aufgeheizten Zeiten, in Zeiten der Populisten und Hassprediger kann der Mord an einer jungen Frau schamlos ausgenutzt werden.

Was mich anbetrifft, so berührt mich dieser Fall nicht nur als Mensch, als Vater, als deutscher Staatsbürger, sondern auch als Flüchtling aus Afghanistan. Ich floh damals vor Krieg und Elend. Auch der mutmaßliche Mörder ist vor Krieg und täglichen Ermordungen geflohen, um in Deutschland ein neues Leben anzufangen. Diese Chance wurde ihm gegeben, eine Chance, die vielen Menschen nie ermöglicht wird. Der mutmaßliche Täter hat aber nicht die großzügige Chance genutzt, ein neues Leben aufzubauen, sondern sich dafür entschieden, mehrere Leben zu zerstören. Der Mörder hat nicht nur einer 19 jährigen jungen Frau das Leben genommen, sondern auch zumindest ihren Eltern. Er hat zudem sein eigenes Leben zerstört, das nach vielen Jahren des elenden Krieges in Frieden hätte fortgeführt werden können.

Viele reden jetzt wieder vom unvermeidlichen Krieg der Kulturen. Krieg haben aber nie die Kulturen gegeneinander geführt, sondern gierige Verblender. Die Kulturen haben sich zu allen Zeiten gegenseitig bereichert. Ob es Krieg oder Frieden gibt, hängt nur von der Vernunft der Menschen ab, nicht von ihren Kulturen und Religionen.

Diese Wahrheiten oder Halbwahrheiten ändern aber nichts daran, dass ein 19jähriges Leben ausgelöscht worden ist, dass bestimmte Weihnachtswünsche nie wieder geäußert werden können und dass eine Familie zeit ihres restlichen Lebens nie wieder Freude erleben kann.

Was können wir tun? Zumindest versuchen, die junge Studentin nicht zu vergessen. Uns dafür einzusetzen, dass das Zusammenleben in diesem wunderbaren Land funktioniert. Die Chancen, die uns in Deutschland gegeben werden nicht für selbstverständlich zu nehmen und dafür dankbar zu sein. Und hoffen und beten, dass keine Familie um seine Liebsten trauern muss. Kurz: Gewalt, Hass und Verbrechen gegenüber nicht gleichgültig zu sein.